Perspektivwechsel im Amazon Zeitalter

Perspektivwechsel im Amazon Zeitalter

Es bleibt kein Zweifel, dass Amazon mit seiner schieren Größe und der enormen Innovationskraft die treibende Kraft im Handel ist. Wer heute Produkte verkauft wird damit konfrontiert, dass wir im Zeitalter von Amazon leben. Eine Chance für Perspektivwechsel! 

Die Amazon-Aktie, Umsatz und der Gründer Jeff Bezos kennen nur eine Richtung – nach oben. Die t3n hat kürzlich errechnet, dass Amazon wohl inzwischen einen Marktanteil von mehr als 50% im e-Commerce hat. Der Fokus vieler Konferenzen, Berater und Blogs geht daher auch nur noch in eine Richtung: Amazon. Dabei durchleben wir gerade starken wandeln im Konsumentenverhalten und e-Commerce ist am Anfang und nicht am vielfach beschworenen Ende.

Die Plattformökonomie

Amazon, ebay aber auch Airbnb und Uber – sie alle sind Meister der Plattformökonomie. Sie haben in erster Linie enorme Reichweiten und in zweiter Linie genau die Produkte und Services, die ein Kunde will – zu diesem Zeitpunkt will. Der Kreislauf beschleunigt sich immer schneller, denn immer mehr Kunden erkennen die Vorteile der Plattform und immer mehr Vorteile lassen sich durch das Kollektiv finanzieren. Langfristig wird die Plattform unschlagbar – eigentlich.

Auch die Fußgängerzone ist eine Plattform, ein Flughafen auch und die Shopping Mall sowieso. Sie sind weitestgehend abgeschlossen und funktionieren durch den praktischen Mehrwert für den Kunden. Die Plattformen funktionieren nicht mehr, wenn der Basisnutzen nicht mehr vorhanden ist und dadurch der Vorteil für den Kunden verloren geht. So kann das Schließen eines einzelnen Geschäfts die Attraktivität einer Fußgängerzone so beschädigen, dass ihre Reichweite sinkt und der Service an vielfältigen Cafe`s und Restaurants nicht aufrecht erhalten werden kann. Der Plattformtot tritt ein und beschleunigt sich überdurchschnittlich. Plattformen müssen daher gut gemanagt werden – was will der Kunde, was kann ich ihm noch mehr an Leistungen bieten…

Viele Händler verlassen sich heute auf die funktionierende Plattformökonomie und werden integraler Bestandteil dieser. Ein Herauslösen ist irgendwann nicht mehr möglich. Aber der Angriff von Auto1 auf das Modell der Plattform mobile.de zeigt – es gibt immer wieder ein noch besseres Modell, das den Kunden attraktiver erscheint.

User sind der Plattform nur treu, weil sie den Kundennutzen perfekt erfüllt. Kunden haben aber keine emotionale Markenloyalität gegenüber einer Plattform und wechseln schnell zum besseren Anbieter.  Jeder Amazon-Kunde kennt seine Vorteile und genießt das einfache Shoppen in einem Longtail-Sortiment. Wohl kaum ein Konsument würde aber sagen, dass er absoluter Amazon-Fan ist und dem Unternehmen die treue schwört. Keinesfalls kann man den Erfolg von Amazon klein argumentieren oder gar prophezeien, dass der Erfolg demnächst versandet – aber es gibt noch eine andere Welt, die noch stärker ist … aber auch komplizierter. 

Die Erlebnisökonomie

Den Plattformen ist sehr früh aufgefallen, dass der Basisnutzen langfristig zum Nebenprodukt wird und das Erlebnis im Vordergrund steht. So entwickelte Amazon die vielen Prime Services und die Shopping Malls entwickelten sich zu Erlebnistempeln. In einer Studie zu Shopping Malls gaben die Teilnehmer an, dass ihnen wechselnde Events, ein großer Food Corner und PopUps Stores wichtig sind. Auch die Architektur von Shopping Malls spielten in der Befragung eine große Rolle. Das Prinzip der Customer Experience Economy wird sichtbar!

Das Münchner Traditionshaus Lodenfrey ist heute kein einfaches Kaufhaus mehr, sondern eine Plattform für Luxus. Die Lage, die Architektur, die Ausstattung, die Kaffeetheken und die riesen großen Umkleidekabinen. Das Unternehmen hat an allen Touchpoints auf Luxus umgestellt, das Einkaufen wird dadurch zu einem Erlebnis in gehobener Atmosphäre. Das Sortiment bekommt man größtenteils auch woanders – aber wer will schon an den Preis denken, wenn die Laune grad richtig gut ist.

Auch der Münchner Sportshop Keller-sports.de hat sich neu erfunden. Das Unternehmen wandelt sich gerade zur Premiumplattform für Sportbegeisterte. Nicht mehr der Longtail im Sortiment ist interessant, sondern die besten Produkte und Marken für die ausgewählte Zielgruppe. Dabei bezieht man sich mit „Premium“ nicht auf den Preis sondern auf die Customer Experience. Das beste Erlebnis gibt es bei Keller-sport.de. Online hat das Unternehmen die Einzigartigkeit bereits bewiesen und 2015 den Shop Usability Award für Deutschlands besten Shop gewonnen. Mehrere zehntausend Mitglieder hat das Unternehmen inzwischen für eine Premium-Mitgliedschaft gewonnen. Für 29,00 € jährlich bekommt man 10% auf das gesamte Sortiment, exklusive Artikel und künftig noch viel mehr.

Keller-Sports zeigt dass man auch in schwierigen Marktumfeldern mit enormen Wettbewerb seinen Platz finden kann – unabhängig von Marktplätzen.

Ähnlichen Weg aber mit einer völlig anderen Kundenklientel schlägt Sport Scheck ein. Aus dem einfachen Shop soll eine Erlebnisplattform für Sportbegeisterte werden. Damit verbindet das Unternehmen seine bereits vielseitigen Sportevents mit dem Shop – ein Schachzug, der genau in die Experience Economy passt. Kunden werden eher an die Erlebnismarke Sportscheck gebunden als an ein austauschbares Sortiment.

Der Relaunch des Shops ist zumindest geglückt. Sport Scheck hat das Orange drastisch reduziert und wirkt jetzt nicht mehr so billig. Die Events haben den Weg auf die Startseite geschafft und sind der Angang für einen coolen Weg zur Sport-Community.

Georg Engelhorn gab kürzlich ein Interview zur Zukunft seines Unternehmens Engelhorn. Das Unternehmen wurde 1890 im Herzen von Mannheim gegründet und hat sich seitdem auch massiv weiterentwickelt. Auf über 41.000 Quadratmetern in acht nebeneinanderliegenden Häusern bietet das Unternehmen seinen Kunden inzwischen ein unverwechselbares Einkaufserlebnis. Mit einer Chocolaterie, einem exquisiten Blumenstand, mehreren Restaurants, einer Vinothek und einem Tesla Showroom unterstreicht das Modehaus den Anspruch und entwickelte über die Jahre einen Freizeitort für die eigenen Kunden.

Online legt Engelhorn, der immerhin zu den besten Shops in Deutschland gehört, massiv nach. Click-and-Collect, Click-and-Reserve, der Stilberater oder die Beratung am Telefon sind heute bereits Services, die man bei Amazon nicht findet.

Kunden wollen anders!

Du kannst niemals den Amazon Weg nehmen, um Amazon zu schlagen.

Im Perspektivwechsel muss man erkennen, dass sich das Internet und der Konsument verändert haben. Zuerst gab es unglaublich viele Shops, die kaum jemand kannte aber durch Google SEO und Preissuchmaschinen ihren Kunden fanden. Dann löste Amazon viele Probleme hinsichtlich Usability, Verfügbarkeit und Preis. Das Buch Longtail wurde zum Bestseller und Shops schlugen in Massen den Amazon-Weg ein. Ein fataler Fehler – wie sich heute herausstellt. Du kannst niemals den Amazon Weg nehmen, um Amazon zu schlagen.

Jetzt wird langsam erkannt, dass Marktplatz kein Rezept für jeden ist bzw. Marktplatz nicht nur aus Verfügbarkeit und Preis entsteht. Freut mich, dass Moritz Keller von Keller-Sports nun endlich auch auf die K5 Bühne kommt – 3 Jahre nach dem Gesamtsieg beim Shop Usability Award wurde wohl erkannt, dass es da noch mehr Optionen im Handel gibt.

Was Kunden wollen

Die Erlebnisökonomie basiert nicht mehr auf der möglichst effizienten Bedarfsdeckung sondern auf einem Gefühl der Zugehörigkeit (Du bist wo du kaufst). Nicht das tiefe Sortiment, der beste Preis, die schnellste Lieferung sind wichtig, sondern die Möglichkeit ein Bestandteil der Erlebniswelt zu werden.

 „Emotional verkaufen“ wäre eine zu simple Definition für diese Strategie und „Storytelling“ ist nur ein kleiner Teil daraus. Die neuen Händler sind selbst zu Brands geworden und finden so den Platz in den Köpfen der Konsumenten. Ihre Ziele sind nicht die noch schnellere Lagerlogistik, sondern die noch bessere Integration des Kunden in eine Erlebniswelt.

Konsumenten haben sich die letzten Jahrzehnte stark verändert und die Digitalisierung hat das Konsumentenverhalten nochmals stark beschleunigt. Es zählt nicht mehr so stark welche Marke du kaufst, sondern wo du sie gekauft hast.

Der Perspektivwechsel - jetzt erst...

Wer diesen Perspektivwechsel nicht erkennt, vermischt alte Welt des Longtails mit der neuen Welt der Customer Experience Economy und befindet sich im strategischen Niemandsland. Daraus entstehen Shops, die Same-Day-Delivery Versuche unternehmen, Instagram erobern und eine Preisgarantie abgeben. Eine schwachsinnige Mischung aus allen e-Commerce Erkenntnissen der letzten 10 Jahre.

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